31. Januar 1945 - Errichtung des ersten Brückenkopfes an der Oder
75 Jahre sind es nun her, als der 2. Weltkrieg
zu Ende ging. Aus heutiger Sicht schon fast eine Ewigkeit und
doch sitzen die Erinnerungen derer, die diese Zeit miterlebten, noch fest im
Gedächtnis. Je weiter diese Zeit zurück liegt, je weniger Zeitzeugen werden
diese ihre Erlebnisse und Geschichten erzählen können.
Bild: Die Schule und die Kirche von Kienitz.
Kienitz war zu jenen Zeiten noch ein
viel größeres Dorf als heute. Im Jahre 1875 zählten 2.267 Einwohner zur Ortschaft
und dessen nähere Umgebung. In den Jahrzehnten danach verringerte sich die Einwohnerzahl auf rund
1531, im Jahre 1925. Dieser Einwohnerrückgang war auch die Folge kriegerischer
Auseinandersetzungen. Einige Kienitzer Bürger, die als Soldaten eingezogen
wurden oder freiwillig ihren Dienst leisteten, kamen auf den Schlachtfeldern
zu Tode oder wurden als vermisst gemeldet. In den Jahren des 2. Weltkrieges verringerte
sich die Einwohnerzahl abermals. Nach dem Ende des 2. Weltkrieges und der Rückkehr der verbliebenen
Einwohner von Kienitz beläuft sich die Einwohnerzahl ca. 100 Personen.
Tipp: In
der Ortschronik "775 Jahre Kienitz - Ein
Dorf im Wandel der Zeit", die zum 775 Ortsjubiläum 2009 in einer
überarbeiteten Neufassung erschienenen ist, wurden die damaligen Geschehnisse anhand
Zeitzeugen und Dokumentationen aus dieser Zeit eindrucksvoll beschrieben.
Zur
Geschichte:
Januar 1945. Erste Vorausabteilungen der
1. Weißrussischen Front, der 5. Stoßarmee mit dem 26. Gardeschützenkorbs, des 1.
mechanisierten Korbs und der 2. Gardepanzerarmee, unter der Führung von General
Nikolai E. Bersarin, überquerten in den Morgenstunden des letzten
Januartages die noch zugefrohene Oder bei Kienitz.
Bild:
Vorstoß der Roten
Armee
Tauwetter sollte sich einstellen und
dennoch wurde
die noch tragfähige Eisschicht der Oder genutzt. Schweres Gerät, wie Panzer konnte nicht mehr gefahrlos über das Eis gebracht werden.
Noch kurz zuvor brachen ein paar Panzer, beim Befahren der Eisdecke ein und
versanken.
Es wurden nur
wenige Geschütze und ein paar 120 mm Granatwerfer als erstes über die Oder
gebracht. Gegen 6 Uhr morgens, dann hunderte russischen Soldaten in
Kienitz. Eine damals neunjährige Einwohnerin, wollte gegen viertel vor acht Uhr
morgens gerade die Schule besuchen, als eine Frau aus dem Dorf ihr zurief: "Die Russen
sind da!". Zügig drangen Einheiten ins 2 Kilometer
entfernte Gut Amt Kienitz vor und besetzten den Bahnhof bei Kienitz Dorf. Innerhalb
einer einzigen Stunde breitete sich der Vorstoß etwa 4 Kilomerter, der unter
anderem die Loose Gehöfte im Raum Kienitz beinhaltete aus.
Die deutsche Wehrmacht wurde durch den schnellen
Vormarsch der Weichsel-Oder-Offensive und der Ankunft
sowjetischer Stoßtrupps, am östlichen Ufer bei Kienitz völlig überrascht.
Die deutsche Luftwaffe, die kurz zuvor das 1. Jagdgeschwader 11 nach
Eberwalde Finow verlegte, griff erst ab dem 01.02., die am Ostufer befindlichen russischen Kampfeinheiten an. Zum selben
Zeitpunkt befanden sich in Kienitz nicht nur die Bewohner des Ortes, sondern
auch viele hundert Flüchtlinge, die bereits Wochen zuvor mit den zahlreichen
Flüchtlingstrecks, auf dem Wasser- oder Landweg nach Kienitz und ins
Oderbruch, kamen.
Bild:
Bundesarchiv_Bild_183-N0627333,_Zerstörungen_in_Kienitz_im_Oderbruch
Die Luftangriffe forderten hunderte Tote und viele Verletzte. Die
meisten davon gab es im Kienitzer Hafen, genau dort wo viele hundert kleine und mittlere
Boote, sowie Lastkähne den Winter überdauerten sollten. Auch im Dorf selbst
war es für die Flüchtlinge und Bewohner
nicht mehr sicher. Zeitzeugen berichteten, dass am 31. Januar 1945, als
diese mit einem
Personenzug der Oderbruchbahn, von Dolgelin in Richtung Groß Neuendorf
fuhren, viele Uniformierte die Straße zwischen Kienitz und Kienitz Amt
(heute Kienitz Nord) vom Schnee befreiten. Es waren russische
Soldaten. Noch in der Nacht vom 1.
zum 2. Februar trat aus der Letschiner Feldmark das II. Bataillon des
Panzer-Grenadier-Regiments 119 zum Gegenangriff, über Amt Kienitz auf Groß
Neuendorf, an. Ein Panzergrenadierbataillon, das bei Letschin lag und eine
deutsche Kampfgruppe aus Sophiental-Sydowswiese,
griffen gegen. 4 Uhr morgens an. Trotz mehrfacher Vorstöße die mit großen Verlusten auf beiden Seiten
endeten, konnte
das Dorf nicht mehr zurückerobert werden. Zurück blieb ein fast völlig
zerstörtes Dorf.
Info:
Auf dem Friedhof von Kienitz gibt es eine Begräbnisstätte in der mehrere
Kriegstote ihre letzte Ruhe fanden, darunter auch 5 Unbekannte Personen. Aufgrund der
vielen Toten und der Unkenntnis, woher diese Stammen ist heute nicht mehr
nachzuvollziehen welche Namen sie trugen. Stellvertretend für alle die in
diensem Krieg getötet wurden, wurde im
Ortszentrum von Kienitz eigens ein Denkmal errichtet.
Bild:
Grabstein auf dem Friedhof von Kienitz,
der auf 5 unbekannte Tote hinweist, die dort
beigesetzt wurden
Um nicht weitere
wichtige Technik zu verlieren, wurde der Bau einer aus Baumstämmen tragfähigen Brücke
befohlen. Diese befand sich nahe der heutigen
Wasserstandmessanlage in Richtung Kienitzer Hafen. Mit unmenschlicher
Kraft wurden größtenteils mit Muskelkraft Baumstämme
in den kiesigen Grund der Oder getrieben. Diese sollten das Grundgerüst der
Brücke tragen. Zwischen Güstebieser Loose und Lebus wurden insgesamt 21
Brückenköpfe entlang der Oder errichtet. Davon drei bei Kienitz. Die deutsche Luftwaffe, die
zu diesem Zeitpunkt nur noch wenige einsatzfähige
Maschinen besaß, versuchte es immer wieder den Vorstoß zu verhindern. Meist von Norden her, den Oderlauf folgend
wurden die Angriffe geflogen. Die
erste Brücke war zerstört worden, aber zum selben Zeitpunkt wurden bereits an einer
zweiten und dritten Brücke Flußabwärts gearbeitet. Diese befanden sich u.a. an der heutigen Fährstraße. Hier
hatten die Streitkräfte den Vorteil, das bis zur Oder eine befestigte Straße
bis ins Dorf führte.
Die Kämpfe, die sich in Richtung Letschin zogen, dauerten
mehrere Wochen an. Die Fronten wurden immer wieder hin und her verlegt, bis es
die Rote Armee es schließlich schaffte einen stabilen Abschnitt auzubauen um den
eigentlichen Sturm auf die Seelower Höhen vorzubereiten.
Die darauffolgenden Geschehnisse, die zum Sturm auf die Seelower Höhen, der
Einnahme der Festung Küstrin und die Eroberung der umliegenden
Oderbruchdörfer führten, können in der Gedenkstätte Seelower Höhen
angesehen werden. In dieser Gedenkstättenanlage, am östlichen Rand der
Stadt Seelow, werden viele originale Ausstellungsstücke aus den Kriegstagen,
Fotos und vieles mehr ausgestellt. Ein Besuch dieser Gedenkstätte lohnt sich
für Geschichtsinteressierte auf jeden Fall.
Bild:
Vom Krieg zerstörte Kienitzer Kirche
Zu
DDR Zeiten wurde der 31. Januar, der Gedenktag zur Befreiung von Kienitz im
großem Stil begangen. So hatte die SED Kreis- und Bezirksverwaltung am 31.
Januar 1985, vierzig Jahre danach ein großes Meeting am Panzerdenkmal
ausrichten lassen. Viele hundert Teilnehmer wurden dafür mit Bussen eigens
herangefahren. Teile der NVA-Streitkräfte und sowjetischer Armee-Einheiten
hatten dieses "Meeting" mit Leuchtfeuer und Fahrzeugen untermalt. Mit
Fackelträgern wurde ringsum das Denkmal ein Spalier gebildet und
Filmausschnitte, die von den damaligen Kämpfen an der Oder stammten, auf
einer großen Leinwand eingespielt. Selbst das DDR Fernsehen berichtete noch
am selben Abend in der Aktuellen Kamera von dieser Veranstaltung.
Heute, für die junge Generation kaum noch
vorzustellbar was in jenen Tagen und Wochen in Kienitz und dessen Umgebung
geschah, wurde die Tradition des Gedenktages, auch nach der politischen
Wende fortgeführt. So wird immer am letzten Januartag an die Opfer des 2.
Weltkrieges, an die gefallenen Soldaten gedacht und Kränze
und Blumen an den Denkmälern im Ort niedergelegt.
Im Internet sind
erst kürzlich neue interessante Beiträge zu den Ereignissen in jenen Tagen
veröffentlicht worden. Auf der Webseite
www.histograf.de hat sich der Verein
"Zeitreise Seelower Höhen e.V. zur Aufgabe gemacht mit noch lebenden
Zeitzeugen die Geschichten festzuhalten, die diese Leute am eigenen Leib
erlebten. 
Nie wieder Krieg!
Sehen Sie auch:
Tipp:
70.
Jahrestag der Befreiung von Kienitz. Festveranstaltung mit Gottesdienst.
Tipp:
Der Kienitzer Panzer und seine
Geschichte.
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